Für die umfangreiche Hintergrund-Literatur sei auf den Menüpunkt „Weiterführendes“ verwiesen. Einen guten Überblick verschafft der Artikel in Wikipedia, siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Elektroenzephalografie.

Bei der Signalanalyse des EEG handelt es sich um eine quantitative Analyse der durch die jeweilige Ableitungs-Montage entstehenden Gruppe von „Hirnströmen“. Prinzipiell sollen hierbei beide Hirn-Hemisphären in gleicher geeigneter Weise erfasst werden.

Die Signalanalyse kann im Zeitbereich, Frequenzbereich oder im Phasenraum stattfinden. Die hohe Zeitauflösung (in ms) erlaubt de facto die Analyse in „Echtzeit“. Man unterscheidet Skalp-Elektroden (an der Oberfläche des Kopfes), lokale Oberflächen-Elektroden am Neocortex des Gehirns und einzelne Elektroden für Ableitungen in tieferen Regionen des Gehirns.

Zur Montage und Aufteilung der Elektroden im international standardisierten 10/20-System siehe mehr Details unter dem o.g. Wikipedia-Hyperlink.

Wir beschäftigen uns im Projekt IASON prinzipiell nur mit Skalp-Elektroden, deren räumliche Auflösung allerdings begrenzt ist. Die gemessene elektrische Aktivität resultiert aus der Synchronisierung der elektrischen Oszillationen einzelner lokaler Neuronen-Gruppen, deren Zahl durchaus in die Millionen gehen kann. Nur wenn diese synchronisierte Neuronen-Aktivität, des Feuerns (= Entladens) der Neuronen in einem zeitlich auf einander abgestimmten System und Reihenfolge, für große Neuronen-Gruppen erfolgt, ist sie groß genug, dass sie auf der Kopfoberfläche an dieser Stelle als zeitlich veränderliche Spannung gemessen werden kann. Dies ist eine sehr vereinfachte Darstellung. Über die Details informiert das Buch „Klinische Enzephalographie“ (2012) von Zschocke et al. (siehe Menüpunkt „Weiterführendes“ unter „Bücher & Papers“) in herausragender Weise im Kapitel 1.2 „Das EEG als Summe kortikaler Feldpotentiale“.

Bereits aus dem bisher Gesagten ergibt sich, dass das EEG-Signal kein stationäres Signal ist, d.h. eines, dessen Mittelwert über einen definierten Zeitraum konstant bleibt. Man spricht deshalb gerne von „quasi-stationär“, welches allerdings eigentlich nur den Umstand beschreibt, dass man die Methoden, die man gut für stationäre Signale (Zeitreihen) einsetzen kann, wie z.B. die Fast-Fourier-Transformation (FFT), siehe https://de.wikipedia.org/wiki/Schnelle_Fourier-Transformation, auch gerne beim EEG einsetzen möchte (und dies auch tut), um z.B. Aussagen über die im Signal überlagerten Frequenz-Anteile mittels einer Spektral-Analyse treffen zu können. Dies ist natürlich möglich, setzt aber voraus, dass sich der Proband im sogenannten „resting state“ (Ruhezustand) befindet, in dem das Gehirn wie in einer Art „Autopilot“ agiert. Alle anderen Fälle der EEG-Analyse, mit Ausnahme des Schlaf-EEG, sind Ausdruck von bewussten oder auch vor-bewussten Prozessen, d.h. „Ereignissen“ (events), deren Verarbeitung sich im EEG u.a. in sog. ERPs, d.h. „event related potentials“ (https://de.wikipedia.org/wiki/Ereigniskorrelierte_Potentiale) widerspiegelt. Bei der Betrachtung des EEG als elektrisches Spiegelbild von mentalen Zuständen, denen als Ereignis eine Bedeutung zugeschrieben werden kann, ist daher Vorsicht geboten, wenn man durch keinerlei Artefakte „verfälschte“ EEG-Abschnitte sucht, um eine quantitative Analyse der EEG-Signale durchführen zu können.

Ein Beispiel von Prof. N. Birbaumer (Universität Tübingen) aus seiner als Video fest gehaltenen Vorlesung „Medizinische Psychologie und medizinische Soziologie I, 3.Stunde im WS 2001, bei Minute -32.31“ (siehe https://timms.uni-tuebingen.de/tp/UT_20011112_001_medpsych_0001) soll die Problemstellung verdeutlichen. Dort wird das EEG-Signal eines Flötisten bei der Aufführung eines Stückes von M. Ravel gezeigt, gleichzeitig auch die Zeit-Darstellung der Audio-Signals des Ravel-Stücks. Das zeitgenaue Einsetzen des Flötensolos ist maßgeblich für den Einsatz aller anderen Musiker, wovon somit das Gelingen der gesamten Aufführung abhängt.

Man kann nun im Video an der zitierten Stelle sehen, dass, 2,5 s bevor der Flötist mit seinem virtuosen Solo einsetzt, sein EEG-Signal erst kurz abfällt, dann stark ansteigt, dann wieder sehr stark abfällt, um schließlich in etwa so „normal“ zu verlaufen wie vor dieser Anregung im EEG-Signal. Allerdings wird dann vom Flötisten ein äußerst virtuoses Flötensolo gespielt, dessen Aufführung offenbar keinerlei sichtbaren Niederschlag im EEG-Signal nach sich zieht, welches genauso „ruhig“ wie vor der Anregungsphase aussieht. Eigentlich müsste man das Ereignis „Flötensolo“ im EEG als eine Zusammensetzung von Anregungsphase und Ausführungsphase kennzeichnen, wenn man dem Ereignis eine Bedeutung beimessen möchte.

Man erkennt hierbei aber auch sehr gut, dass es nicht genügt, mit ruhigen EEG-Segmenten alleine, ohne Berücksichtigung ihres Bedeutungs-Hintergrunds eine quantitative Analyse durchführen zu wollen, da dann tatsächlich ruhige Segmente mit solchen gemischt würden, die ebenfalls „ruhig“ sind (d.h. ihre Amplitude einen bestimmten Schwellwert nicht überschreitet), die aber tatsächlich zu Ereignissen mit Bedeutung, wie dem o.g. Flötensolo, gehören.

Das Problem der Artefakte (Augen-Blinzler, Muskel-Zuckungen etc.) wird oft dadurch automatisch gelöst, dass man alle EEG-Kanäle einer „independent component analysis“ (ICA, siehe http://arnauddelorme.com/ica_for_dummies/) unterwirft, mit der Bestimmung einer Komponente das Artefakt identifiziert, diese Komponente heraus rechnet und dann nach der Rückrechnung zum modifizierten „Original-Signal“ den Einfluß des Artefakts eliminiert hat. Die Anwendung dieser Methode bedingt Voraussetzungen, denen das EEG-Signal sicherlich nicht immer genügt.

Hierbei ist vom Ansatz her schon unterstellt, dass das durch die ICA bereinigte EEG-Signal alle charakteristischen Merkmale besitzt wie das Original-Signal. So einfach ist es aber nicht, siehe das obige Beispiel des Flötisten. Bei der ICA wird der Einfluss des störenden Artefakts ermittelt und entfernt. Es entsteht hierdurch de facto ein „neues“ Signal, welches nach Annahme weiterhin alle Voraussetzungen erfüllt. „verborgene Information“ z.B. zum Vorhandensein der Alzheimer-Krankheit zu enthalten. Es ist allerdings hier die Frage zu stellen, ob man sich bei dieser Vorgehensweise nicht auch Wege verbaut, die gewünschte Information zu erhalten.

Dennoch bleibt das „Ereignis-Problem“ bestehen. Dies ist auch der Standpunkt von G. Ulrich, der in seinem Werk „Das spontane Ruhe-EEG“ (siehe Menüpunkt „Weiterführendes“ unter „Bücher & Papers“) einen vergleichbaren Standpunkt einnimmt, wenn er behauptet, dass man das Wach-EEG als Widerspiegelung verschiedener Ereignisse betrachten soll. Wir nehmen vorerst keine Veränderung des Original-Signals mit ICA vor, sondern wir suchen „ruhige“ Segmente im Original-EEG-Signal, deren Identifikation nach gewissen heuristischen Kriterien erfolgt, siehe Resultate Arbeitspaket 4.1.

In den ruhigen Bereichen sollte genügend Information vorhanden sein, um AD-Spezifika ermitteln zu können, insbesondere, wenn man sich diesen mit komplexen quantitativen Methoden der Analyse des EEG-Signals widmet. Wir benötigen aber langfristig ein „bedeutungsvolles (semantisches) EEG“, untergliedert nach Segmenten aus identifizierten „Ereignissen“ und „resting state“ - Epochen, deren Existenz am Besten im „default mode“ des Gehirns gewährleistet sind, siehe https://en.wikipedia.org/wiki/Default_mode_network.

Hierbei sollten bereits kurzzeitige EEG-Segmente aussagekräftige Informationen darüber liefern, ob der Patient an AD leidet und in welchem Stadium er sich befindet, bzw. ob bereits im präklinischen Stadium von AD Anzeichen von AD im EEG zu erkennen sind, welche dies sind und in welchem Maße diese es erlauben, eine valide Vorhersage der weiteren Entwicklung der Krankheit zu liefern. Es besteht somit das große Bedürfnis nach Verfahren, die über die üblicherweise bei EEG-Analysen verwendeten, meist illustrativen und auf individueller Erfahrung beruhenden Methoden hinausgehen.

Um in der Datenanalyse über die Spektralanalyse hinaus zu gehen, bedarf es einer quantitativen Datenanalyse, die im Moment noch sehr unzureichend in der klinischen Praxis repräsentiert ist. Die Darstellungen des qEEG (quantitativen EEG) im Internet sind meist unvollständig, zu speziell (z.B. nur auf Neurofeedback bezogen) oder generell nicht zufriedenstellend, siehe z.B. https://de.wikipedia.org/wiki/Quantitatives_EEG.

Eine sehr gute Zusammenfassung des qEEG stellt die Dissertation von W. Tirsch: „Biomedizinische Relevanz der quantitativen EEG-Analyse“ dar, siehe „Weiterführendes“ unter Menüpunkt „Links“.